Seufzen, stöhnen, grunzen - so beginnt das Werk "Macle" von Julius Eastman. Und als ich schon dachte, ob das jetzt die angekündigt Dauer von einer halben Stunde so weiter geht, nahm das Stück erst richtig Fahrt auf und legte einige irre Wendungen hin. Irritationen, ob das, was die beiden Akteure da vorne machen, denn auch wirklich zum Stück gehört, inklusive. Aber genau das war dann auch das reizvolle an dem Abend: was ist Realität und was Illusion, was gespielt oder doch echt?
Durch meine Gesanglehrerin Nicole Ferrein komme ich immer mal wieder in Kontakt mit Komponistennamen, die - ich gebe es zu - meist ein blinder Fleck auf meiner Musik-Landkarte sind. Das liegt daran, dass ich mich bis vor ca. drei Jahren sehr wenig mit Neuer Musik beschäftigt habe. Bis ich dann in das Projekt "Phedre" integriert wurde, für dessen Aufführung Michael Veltman die Musik extra geschrieben hat. Seine Komposition, die wir aufgeführt haben, war ca. 1 Woche alt. Also, zeitgenössischer geht's ja fast nicht mehr (wer mehr lesen möchte: Meine Erfahrung als Echosopran bei Phedre 2.5). Meine Gesangslehrerin singt jedenfalls derzeit Werke von Julius Eastman und George Crumb (Konzert am 14.02.2016 um 20 Uhr im Theater im Ballsaal, Bonn). Schon mal gehört? Ich nicht. Daher habe ich mal ein paar biographische Informationen über die beiden Komponisten zusammengetragen und bin sehr gespannt auf das Konzert. Der Redakteur Markus Peters hat eine tolle Kritik über das Konzert am 27.9.2015 geschrieben: "Das Smartphone ersetzt das Notenblatt"
Und da ich selbst bei "Olson III" mitgesungen habe und sogar in der Kritik namentlich erwähnt werde, freut es mich umso mehr! Leider litt das Festival daran, dass sich so wenige Menschen trauen, sich auch einmal Neue Musik anzuhören. Soll heißen: Die Zuhörerzahlen waren erschreckend niedrig. Wie schade! Ich kann nur jedem raten, sich einmal auf solche neuen Klänge einzulassen. Gerade das "String Quartet (1960)" von Terry Riley hat so eine tolle Wirkung. Besonders, wenn man weiß, das es von den Klängen der Nebelhörner inspiriert wurde, die in den 60er Jahren durch die Bucht von San Francisco hallten. Ein sanftes Stück Musik, das seine ganz eigene Magie entfaltet. Wer jetzt neugierig geworden ist: Am 15.11. und am 20.11.2015 führt TRA I TEMPI das "String Quartet (1960)" noch einmal auf. Mehr Infos hier. So ungewöhnlich der Titel, so besonders wird sicherlich auch die Veranstaltung, die sich dahinter verbirgt: Eine musikalisch-literarische Performance mit dem Ensemble TRA I TEMPI zu den Texten von Christine Lavant findet am 4. Oktober 2015 im Theater im Ballsaal, Bonn statt (ja, das ist wieder dieser besonders schöne Saal mit dem Orchesterbalkönchen… siehe auch meinen Post vom 1.6.2015)
„Urwüchsig“, und "ungewöhnlich schön" nannte Christine Lavants erster Verleger deren Gedichte. Thomas Bernhard wurde zu einem Fürsprecher von Lavants Werk. 100 Jahre alt wäre die Dichterin dieses Jahr geworden. Das Ensemble TRA I TEMPI unter der Leitung von Michael Veltman nimmt dies zum Anlass, an Lavant und ihr Werk zu erinnern. Das Ensemble TRA I TEMPI ist spezialisiert auf Neue Musik und das zeitgenössischen Musiktheater, stellt also immer wieder außergewöhnliche Konzerte auf die Beine. Es lohnt sich also, vorbeizukommen. Hier die Ankündigung der Performance auf der Seite vom Theater im Ballsaal. |
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Sirun HogrefeEin paar persönliche Eindrücke aus musikalisch-textlicher Praxis und Theorie. |